Vom schleichenden Sterben der Internetportale

Was? Webseiten sterben aus, das ist doch ein schlechter Scherz. Wie kann das denn sein, gerade jetzt im Zeitalter der Digitalisierung? Wo immer mehr Menschen Zugang zum Internet haben und Informationen konsumieren und publizieren? Aber genau hier beginnt das Problem. Denn wenn sich ein potentieller Gast (sagen wir er heisst Hannes) über seinen nächsten Urlaub informieren möchte, beginnt sein Einstieg mit grösster Wahrscheinlichkeit mit einer Suchanfrage bei Google. Von dieser ersten Recherche (Dreaming-Phase, Researching-Phase) vergehen je nach Studie zwischen 28 und 35 Tage, bis dieser dann effektiv eine Buchung tätigt.

Während dieser Phase nutzt Hannes vermutlich sein Geschäfts-Computer, sein privates Notebook und natürlich sein Smartphone. Damit besucht er diverse Portale oder nutzt entsprechende Apps, welche ihn bei der Reiseplanung unterstützen. Denn er hat ein Problem, welches wir ziemlich sicher schon am eigenen Beispiel erlebt haben. Hannes muss, wie wir auch, unter der Unmenge an Daten zum Thema „Familien Urlaubstipps“ mühsam die für Ihn relevanten Inhalte zusammen suchen.

Google hat das erkannt und setzt seit längerem schon auf personalisierte Suchergebnisse. So erhält Hannes, wenn er am privaten Notebook (an dem auch seine Frau die Heidi arbeitet), unter Umständen Ergebnisse aus der Region Bodensee. Weil Google aufgrund des Surfverhaltens von Heidi daraus schliesst, dass Sie lieber in den Süden anstatt in den Norden nach Sylt fahren möchte.

Wenn er sich dann weiter verweilt und nach „Ausflüge Thurgau“ sucht, gibt ihm Google bereits schon entsprechende Vorschläge. Google ist also bestrebt daran, den potentiellen Werbekunden, möglichst lange (aber nur so lange wie notwendig) auf den eigenen Kanälen zu halten. Das zeigt sich auch eindrücklich am Beispiel, wenn man nach „Wetter Ort“ sucht. Das Suchfenster zeigt mir die gesamte Wetter-Prognose und macht es damit obsolet ein entsprechendes Wetterportal zu besuchen. Von den weiteren bereits etablierten Diensten wie GoogleMaps, GoogleMyBusiness oder GoogleHotelfinder sowie FlightSearch brauchen wir gar nicht erst zu sprechen.

Das Faszinierende und zugleich irgendwie Beängstigende ist, dass wir erst am Anfang stehen. Google aber auch Facebook arbeiten an künstlicher Intelligenz. An Agenten wie Siri, welche dem Gast im wahrsten Sinne des Wortes den Wunsch von den Augen ablesen können. Bereits jetzt verwenden laut einer Studie 55 Prozent der Jugendlichen, die Sprachsuchfunktion min. einmal pro Tag.

So findet dann die gewünschte Information den Weg zum Gast ohne, dass dieser jemals eine Webseite im klassischen Sinn besuchen muss. Facebook, Google, Amazon aber auch Microsoft und Apple bieten bereits heute in sich geschlossene Ökosysteme, welche laufend ausgebaut werden.

Websites werden (kurzfristig) sicherlich weiter bestehen, aber Aussehen, Sinn und Bedeutung werden sich in den nächsten Jahren stark ändern. Je nach Branche werden die Webseiten mehr oder weniger stark diesem Prozess unterworfen sein. Tourismus und die Retailbranche werden aber wohl zu den ersten gehören. Bei denen sich die Website zur Art Datenbank entwickelt, die über verschiedene Kanäle Informationen an Suchmaschinen und Assistenten liefert. Entwickelt sich deshalb SEO (Search Engine Optimization) zur ASO (Agent Service Optimization)?

Genau hier liegt der Kern in einer Beratung zum Relaunch einer Touristischen Webseite. Es geht primär nicht darum was heute aktuell ist sondern darum was Morgen kommen wird. Oft wird einfach nur reagiert, indem man die gewachsenen Lücken des letzten Relaunches mit dem neuen Relaunch zu kompensieren versucht.

Diese schrittweise Verbesserung ist auch in Ordnung – allerdings sollte man auch mal agieren können und sich für diesen Fall folgende Fragen stellen:

Warum sollte Google, meine Webseite als Datenquelle wählen?

Welche Inhalte bekommt Google auf unseren Seiten, aktueller, hochwertiger und einzigartiger als woanders?

Was ist unsere Kerndienstleistung, bzw. mit welchem Service generieren wir die höchste Wertschöpfung?

Welche dieser Dienstleistungen könnte durch einen Roboter, ganz oder teilweise übernommen werden?

Welche Dienstleistungen werden bereits jetzt durch Dritte kommerzialisiert (booking.com, airbnb.com, uber.com, getyourguide.com...) – erfüllen aber ein bestimmtes Bedürfnis nicht?

Beantwortet man diese Fragen kritisch und ehrlich, wird die Sitemap der neuen Webseite mit Bestimmtheit, wesentlich kleiner als ursprünglich angenommen sein. Umgekehrt müsste die Featureliste in Bezug auf Prozessorientierung deutlich an Volumen zugenommen und an Prioriät gewonnen haben.

Die Gewinner werden alles in allem jene sein, welchen es gelingt sich am besten in die Ökosysteme der grossen Player zu integrieren.